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Auf den Opernbühnen sind sie bis heute ein beliebtes Gespann geblieben: Ruggiero Leoncavallos 'Bajazzo' und Pietro Mascagnis 'Cavalleria Rusticana'. Kaum ein anderes Werk des italienischen Verismo hat im Laufe der Zeit so viel Popularität erlangt wie diese beiden dramatischen Einakter. Die deutschen Opern der veristischen Stilrichtung dagegen sind heute eher nur einem kleinen Publikum von Kennern und Liebhabern bekannt. Dazu gehört auch das Musikdrama 'Tiefland' in einem Vorspiel und zwei Akten von Eugen d'Albert; eine Neueinspielung des Werkes mit dem Radiosinfonieorchester Wien unter der Leitung von Bertrand de Billy ist vor kurzem beim Label Oehms Classics erschienen. Diese möchte ich Ihnen nun vorstellen.
Klaus Gehrke |
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* Musikbeispiel: Eugen d'Albert - Vorspiel aus "Tiefland"
Götter, Sagengestalten oder große literarische Figuren waren im aufkeimenden Verismo am Ende des 19. Jahrhunderts nicht gefragt; vielmehr standen einfache Menschen und deren soziale Probleme im Blickfeld. Ausgehend von der Literatur stieß der Verismus um 1885 im musikalischen Bereich zunächst in Italien, später auch in Deutschland und Frankreich auf großes Interesse. Viele Komponisten sahen in ihm eine Möglichkeit, einen Gegenpol zu den Musikdramen Richard Wagners zu schaffen. Die Hauptdarsteller, die nun auf die Bühne kamen, waren von einfacherer Natur: Dorfbewohner, Handwerker, Schauspieler oder Hirten wie der junge naiv-gottesfürchtige Pedro aus Eugen d'Alberts 'Tiefland'; von seinem Dienstherren aufgefordert, dessen Mühle im Tal zu übernehmen und Marta zu heiraten, verlässt er seine geliebten Berge.
* Musikbeispiel: Eugen d'Albert - Szene des Pedro aus "Tiefland"
Johan Botha, begleitet vom Radiosinfonieorchester Wien unter Bertrand de Billy, sang die Szene des Pedro aus dem Vorspiel der Oper 'Tiefland' von Eugen d'Albert. D'Albert, Sohn eines französischen Vaters und einer englischen Mutter, wurde 1864 in Glasgow geboren. Seine musikalische Ausbildung erhielt er in London, Wien und bei Franz Liszt in Weimar; dieser schätzte insbesondere seine großen pianistischen Fähigkeiten. Allerdings gab d'Albert seine Virtuosenkarriere zugunsten der Komposition auf. Beeinflusst von der Musik Leoncavallos und Mascagnis begann er 1902 mit der Komposition seiner ersten veristischen Oper 'Tiefland'; als Libretto diente ihm ein Schauspiel des spanischen Dichters Angel Guimerà. Die Handlung spielt im katalonischen Tiefland unweit der Pyrenäen: der skrupellose Grundbesitzer Sebastiano ist verschuldet und hofft, sich mit einer lukrativen Heirat aus dieser Situation zu retten; zuvor jedoch muss Marta, die er als Waisenkind bei sich aufnahm und von ihm wie eine Sklavin gehalten wird, verheiratet werden. Alle Bewohner des Dorfes wissen um die Beziehung Sebastianos zu Marta und amüsieren sich über die Naivität des Bräutigams Pedro. Marta selbst hasst ihn, weil sie glaubt, dass er sich bestechen ließ; bald jedoch erkennt sie seine ehrliche Liebe und seine Ahnungslosigkeit von ihrer Vergangenheit. In einer groß angelegten dramatischen Szene im 2. Akt schildert sie dem Dorfältesten ihr trauriges Schicksal und ihre Hoffnung, dass Pedro ihr verzeiht.
* Musikbeispiel: Eugen d'Albert - Szene der Marta aus "Tiefland"
Das war ein Ausschnitt aus der Szene der Marta aus dem 2. Akt der Oper 'Tiefland' vom Eugen d'Albert mit Lisa Gasteen und dem Radiosinfonieorchester Wien unter Bertrand de Billy. Das in dieser CD-Einspielung mitwirkende Ensemble gehört vorrangig der jüngeren Generation und hat sich mit zahlreichen Auftritten im In- und Ausland internationales Renommee erworben. Der 38jährige Bertrand de Billy, seit dem vergangenen Jahr Leiter des Wiener Radiosinfonieorchesters, ist seit 1999 als Chefdirigent am Gran Teatro in Barcelona tätig ist. Junge frische Kräfte gehören übrigens auch zur Unternehmensphilosophie des im Februar 2003 gegründeten Labels Oehms Classics: nach eigener Aussage möchte Firmengründer Dieter
Oehms Aufnahmen förderungswürdiger junger Künstler, internationaler Preisträger und herausragender Persönlichkeiten einer breiten Öffentlichkeit zu günstigen Preisen zugänglich machen. Neben Bekanntem aus dem klassischen Repertoire bietet das Label auch selten gehörte Werke an wie beispielsweise im Opernbereich Werner Egks 'Revisor' oder auch d'Alberts 'Tiefland'. Die Premiere der Oper im November 1903 am deutschen Theater in Prag wurde kein durchschlagender Erfolg; auf Anraten seines Verlegers bearbeitete d'Albert das Werk noch einmal, und in der neuen Fassung eroberte 'Tiefland' ab 1907 alle deutschen Opernbühnen. Zu seinen bekanntesten Nummern gehört das Lied des Sebastiano 'Hüll in die Mantille fester dich ein' aus dem zweiten Akt, in dem das spanische Kolorit mit Gitarre und Kastagnetten besonders hervortritt. Die provokativ heitere Stimmung der Szene findet jedoch ein jähes Ende, als Pedro, der Marta zum Aufbruch in die Berge drängt, von dieser über den wahren Charakter des Herrn Sebastiano aufgeklärt wird. Es singen Falk Struckmann, Johan Botha und Lisa Gasteen sowie die Wiener Singakademie; das Wiener Radiosinfonieorchester dirigiert Bertrand de Billy.
* Musikbeispiel: Eugen d'Albert - Szene des Sebastiano aus "Tiefland"
Bis in die 50er Jahre gehörte d'Alberts 'Tiefland' zu den beliebtesten Opern im deutschen Repertoire; ihre dramatisch ausgeprägten Partien wurden insbesondere von Wagnersängern geschätzt. Heute dagegen findet sich die einst erfolgreichste Oper des deutschen Verismus kaum noch auf den Bühnenspielplänen. Auch der bei Oehms Classics erschienene Livemitschnitt von 'Tiefland' wurde nicht etwa in der Oper aufgezeichnet, sondern stammt aus dem Wiener Konzerthaus. Allerdings arbeiten Bertrand de Billy und sein Ensemble die musikalischen und dramatischen Qualitäten des Werkes so nuanciert und packend heraus, dass die Einspielung ein spannungsreicher Genuss ist; so auch im finalen Zweikampf zwischen Pedro und Sebastiano, in dem letzterer den Tod findet.
* Musikbeispiel: Eugen d'Albert - Finale aus "Tiefland"
Das war das Finale der Oper 'Tiefland' von Eugen d'Albert mit Johan Botha als Pedro, Lisa Gasteen als Marta und Falk Struckmann als Sebastiano; die Wiener Singakademie und das Radiosinfonieorchester Wien wurden geleitet von Bertrand de Billy. Die in der heutigen Sendung vorgestellte CD ist unter der Nummer OC 132 beim Label Oehms Classics erschienen.
Soweit die NEUE PLATTE, vorgestellt heute von Klaus Gehrke.
Diskografische Daten
Titel: Eugen d'Albert: Tiefland
div. Solisten
Chor: Wiener Singakademie
Orchester: Radio-Sinfonieorchester Wien
Leitung: Bertrand de Billy
Label: Oehms Classics
Bestellnr.: OC 132